Ich sitze ich Garten, die Sonne scheint, die Vögel zwitschern, eine Tasse Kaffee neben mir auf dem Tisch, in Reichweite mein Laptop. Ich arbeite ohne Unterbrechungen meine ToDo Liste ab, erledige alle Telefonate, nehme entspannt an Videokonferenzen und Webinaren teil, bin zufrieden, glücklich und produktiv. So stelle ich mir meine Arbeit im Homeoffice vor, einfach wunderbar – das Leben kann von zu Hause so einfach sein.

Ist das so? Hand aufs Herz:

Zwischen Vorstellung und Wirklichkeit klafft leider oft eine riesengroße Lücke. Die Realität sieht anders aus: Nach meinem Frühsport starte ich unverzüglich den Rechner um die ersten Mails zu checken und den Tag zu strukturieren. Ich muss die Zeit nutzen, wenn der Nachwuchs schläft und es noch still ist. Danach stellt es sich als schwierig dar, konzentriert zu arbeiten. Es kommt schon mal vor, dass das Kind in die Videokonferenz platzt, da es ein dringendes Problem hat, das sofort gelöst werden muss. Alle Gesten und Ermahnungen werden ignoriert und mein Stresspegel steigt. Doch die Kollegen haben Verständnis, denn den meisten geht es ähnlich. Wir sitzen alle im gleichen Boot, doch wir merken, kinderleicht ist das Homeoffice nicht.

Mein Tag ist mittlerweile bunt ; es werden die unterschiedlichsten Anforderungen an mich gestellt:

  • Aushilfslehrerin im Homeschooling
  • Catering mit mindestens 3 Mahlzeiten und kleinen Snacks
  • Animateurin in den Bereichen Spiel, Spaß, Spannung
  • Gärtnerin
  • Projektentwicklerin für die Fächer Geschichte und Naturwissenschaften
  • Fitnesstrainerin
  • Frustrationsbewältigerin
  • Anlaufsstelle für Lebens- und Arbeitsbeichten des Partners
  • Und ganz neben bei noch der „normale Job“

Dies stellt mich vor neue Herausforderungen. Nicht dass ich die Jobs nicht alle schon mal gemacht hätte. Doch in Corona-Zeiten rückt man enger zusammen. Die Kinder sind überwiegend zu Hause, ihnen ist langweilig, sie vermissen ihre Freunde und die Struktur des Alltags. Uns geht es ähnlich und da können die Nerven auf allen Seiten schon mal blank liegen und man reagiert über.

Ich bin es gewohnt in meiner Arbeitszeit konzentriert und zielgerichtet zu arbeiten und danach meine Freizeit zu genießen. Diese klare Trennung ist derzeit nicht mehr möglich. Die Grenzen zwischen Beruf- und Privatleben verwischen und damit müssen wir lernen umzugehen. Wir haben das Gefühl, dass ständig etwas von uns erwartet wird. Das Konzept muss noch fertig geschrieben werden, doch ich habe meinem Sohn versprochen eine Radtour zu machen. Er hat jetzt 60 Minuten geduldig gespielt, während ich in einer Telko war. In diesem Spagat befinden wir uns derzeit häufig. Wir tanzen auf vielen Hochzeiten und können den Anspruch, den wir an uns selbst haben oft nicht halten. Da kann leicht das Gefühl entstehen: „Was habe ich heute denn eigentlich gemacht?, Mir wächst das alles über den Kopf.“ Das macht auf Dauer unzufrieden.

Natürlich hat das Homeoffice auch viele positive Eigenschaften. Ich möchte es nicht mehr missen. Man ist flexibel, kann zwischendurch mal einen Arzt- oder Handwerkertermin machen und danach einfach weiter arbeiten. Lange Fahrzeiten fallen weg und man kann sich seine Zeit frei einteilen. Das ist schon ein großer Vorteil.

Zu Hause arbeiten, gleichzeitig die Kinder betreuen, den Haushalt erledigen und als Spielkameradin zur Verfügung zu stehen, verursacht Stress. Um diesen zu vermeiden, habe ich folgende Rituale eingeführt.

Rituale im Homeoffice

  • Arbeite in einem eigenen Raum, dadurch erfolgt eine Trennung und Du bist nicht ständig ansprechbar.
  • Packe Deine Arbeitsunterlagen nach getaner Arbeit weg. Ansonsten wirst Du den ganzen Tag an die Arbeit erinnert.
  • Strukturiere den Tag, lege Zeiten fest, in denen Du arbeitest und genieße danach Deine Freizeit.
  • Starte den Tag wie gewohnt. Duschen, Frühstück…Auch im Homeoffice ist es wichtig einen guten Einstieg in den Tag zu haben.
  • Teile Dir die Arbeits- und Betreuungszeit mit Deinem Partner, Großeltern, Freunden. Somit kann jeder ein paar Stunden in Ruhe arbeiten und verbringt Zeit mit der Familie.
  • Nutze die Zeiten in denen die Kinder schlafen um konzentriert zu arbeiten.
  • Während einer wichtigen Telko, darf das Kind auch mal Fernsehen schauen.
  • Nehmt gemeinsam die Mahlzeiten ein und unterbreche dafür Deine Arbeit.
  • Baue bewegte Pausen ein und geht gemeinsam eine Runde spazieren.
  • Ab dem Grundschulalter können Kinder auch schon mal 30 Minuten alleine an den Hausaufgaben arbeiten. Besprich im Vorfeld Fragen und dann arbeitet jeder in seinem Raum.
  • Sprich mit Deinen Kindern über die Situation und erkläre ihnen die neuen Rituale. Es ist für alle nicht einfach, aber auch sie müssen Deine Bedürfnisse akzeptieren.
  • Plane bewusst Auszeiten für jedes Familienmitglied ein. Jeder braucht einmal Zeit für sich alleine. Durch das ständige beisammen sitzen entstehen unnötige Konflikte.

Viele Familien sammeln gerade neue Erfahrungen. Es ist nicht immer leicht, doch wir haben auch die einmalige Chance Zeit mit unseren Liebsten zu verbringen. Darüber sollten wir uns freuen, sie lässt uns den Stress vergessen.

Ich beobachte Eltern, die mit ihren Kindern wandern, Steine bemalen, Ausflüge zum Spielplatz und Radtouren machen. Wir haben plötzlich Zeit für Dinge, die vorher im Alltagstrott unter gingen und diese können wir ganz bewusst nutzen. Das wird bleiben von dieser kuriosen Zeit. MEHRZeit für uns alle, die wir nutzen können um näher zusammen zu rücken, viele tolle Momente zu erleben und die Beziehung zu unseren Liebsten zu stärken. Das motiviert und lässt uns den Alltag meistern. Tag für Tag!

Viel Erfolg und herzliche Grüße

Alexandra Karr-Meng

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