Im Spiegel eines Motorrollers inmitten einer idyllischen Landschaft halten wir Rückschau. So könnte der Titel des Fotos lauten. Hier kommt mir ein Zitat von B. Geller-Wollentin in den Sinn:
„In der Rückschau siehst Du deinen Weg aus einem anderen Blickwinkel. Und plötzlich erkennst du Möglichkeiten, die dir vorher verborgen blieben.“
Ich erinnere mich an eine Situation, die mir eine Coachee erzählte: Sie war bei allen Vereinsfesten die unumstrittene Moderatorin. Nach einer Moderation fragte sie anschließend einen Bekannten, wie sie denn war. „Sehr gut“, meinte dieser, „aber Deine Entschuldigungen gehen mir auf den Nerv.“ Mit diesem Feedback hatte sie nicht gerechnet, sie wollte Lob hören. Als sie später, in der Rückschau, die Filmaufzeichnung ihrer Moderation erhielt, verstand sie ihren Kritiker. Sie hatte in ihrer Moderation klitzekleine Versprecher, als diese ihr auffielen, sagte sie immer, laut hörbar: „Entschuldigung!“ Die Versprecher hatte keiner gemerkt, das Wörtchen Entschuldigung verstand jeder.
Wann wurdest Du zuletzt kritisiert? Wie war das für Dich? Wie hast Du reagiert?
Machen wir uns nichts vor: Kritik hört niemand wirklich gerne. Natürlich geben wir uns kritikfähig, hören uns die Kritik an und versuchen etwas zu verändern. Doch es ist nicht angenehm wenn andere uns den Spiegel vorhalten und tut manchmal auch weh.
Im Optimalfall sollte uns Kritik weiter bringen, sie sollte uns unsere dunklen Seiten zeigen, die wir selbst vielleicht nicht erkennen. Denn jeder von uns hat einen „blinden Fleck“, das sind keine versteckten, dunklen Geheimnisse. Blinde Flecken sind Persönlichkeitsanteile, Eigenschaften und Verhaltensweisen, die wir selbst nicht wahrnehmen. Wir sehen sie selbst nicht, unser Umfeld nimmt sie allerdings sehr deutlich wahr.
Beispiele gefällig? Das sind Dinge wie:
- das ständige Kopfnicken
- auffälliges Flackern mit den Augen oder zur Decke schauen
- Füllwörter wie „ähm“, „ja“
- das nervöse Lachen hinter jedem Satz
- unruhig mit dem Fuß wackeln und vieles mehr.
Auf unseren blinden Fleck haben wir keinen Zugriff, deshalb ist es wichtig, dass unsere Mitmenschen uns diese Eigenschaften und Verhaltensweisen zurückmelden. Natürlich hören wir das nicht immer gerne und es kann uns auch verletzten. Denn plötzlich erhalten wir ein ganz anderes Bild von uns.
Du denkst vielleicht, dass Du hervorragend organisieren kannst und ein gutes Zeitmanagement hast und plötzlich meldet Dir ein Kollege zurück, dass er in Deinen Besprechungen die Struktur vermisst.
Das tut im ersten Moment richtig weh und prallt an keinem ab. Du hatten ein völlig anderes Bild von Dir im Kopf als das, was Dir jetzt zurück gemeldet wird. Selbstbild und Fremdbild differenzieren stark. Daher kommt es im ersten Moment auch zu bestimmten „Schockreaktionen“. Diese sind ganz tief in unserem Unterbewusstsein verankert und werden nicht von der Ratio gesteuert.
Entweder wir rechtfertigen uns und wollen unser Verhalten erklären, sind wie gelähmt und bringen kein Wort heraus, schlagen zurück, indem wir unser Gegenüber angreifen oder wir verlassen die Situation. Diese Reaktionen sind völlig normal. Manchmal braucht es einen Moment, bis sich der Schock gelegt hat und wir souverän und professionell reagieren können.
Daher nur Mut, eine ehrliche Rückschau mit genügend Selbstkritik kann Wunder wirken. Aber: Überfordere Dich nicht!
Viel Erfolg und herzliche Grüße
Alexandra Karr-Meng