Ich war gerade in Skiurlaub, eine Gondel für 6 Personen brachte uns auf den Berggipfel. Im Laufe der Woche fuhr ich unzählige Male mit diesem Beförderungsmittel. Dabei konnte ich vieles, allzu menschliches beobachten.
Wenn die Gondeltür sich im Tal öffnet, strömen die Menschen hinein. Ihr Verhalten ist ähnlich, wie in einem Aufzug. Jeder versucht sich den besten Platz zu sichern, keinen Körperkontakt und keinen Blickkontakt aufzunehmen. Dies ist jedoch wesentlich einfacher, als in einem Aufzug. In einem Aufzug kann man oft die komische Situation beobachten, dass alle Insassen betreten auf den Boden schauen. Im Wintersport sieht das dann etwas anders aus: In der Gondel trägt man Ski- oder Sonnenbrillen und die Kabine ist aus Glas. Somit könnte man seinen Blick durch die schneebedeckte Landschaft streifen lassen oder man kann ihn gut hinter der jeweiligen Brille verstecken.
Doch sobald die Menschen in der Gondel sitzen, geht der Griff sofort zur Tasche und das heiß ersehnte Smart-Phone wird zutage befördert. Was soll man auch sonst tun? Landschaften werden oft überbewertet, oder? Und schließlich haben die meisten eine über zehnminütige Talfahrt hinter sich und waren offline. In dieser Zeit könnte etwas Weltbewegendes passieren oder eine wichtige WhatsApp eintreffen. Grundvoraussetzung hierfür ist natürlich ein ordentliches Handynetz, doch das wurde bereits vor der Urlaubsbuchung gecheckt.
Nachdem jeder überprüft hat, was auf seinem Smart-Phone los ist, kristallisieren sich bestimmt Gondel-Typen heraus.
Da entdecke ich „die Coolen“. Sie reden davon, wie viele Pistenkilometer sie heute zurückgelegt haben oder noch zurück legen werden. Keine schwarze Piste wird ausgelassen und bis zum Abend muss jede Piste mindestens einmal gefahren werden. Schließlich will jeder derjenige mit den meisten Pistenkilometern sein. Vorsicht: Kein Interesse vorgaukeln, die Berichte über die Pisten des Universums können ausarten.
Dann gibt es noch „die Smarten“. In der Gondel wird mit dem Selfimodus des Handys überprüft, ob die Frisur noch sitzt oder der Lippenstift nachgelegt werden muss. Die Skibekleidung muss natürlich von einer bestimmten Marke sein und jedes Teil ist farblich aufeinander abgestimmt. Nichts wird dem Zufall überlassen. Der Smarte lässt gerne bewundernde Blicke zu, möchte aber nicht angesprochen werden.
Außerdem gibt es noch „die Pistenbulli-Eltern“. Sie schwatzen nonstop auf ihre Kinder ein. Sie wollen diese noch schnell mit einem Getränk versorgen, sie eincremen oder sie mit Gummibärchen motivieren am Skikurs teilzunehmen. Je schweigsamer die Kinder werden, desto mehr laufen sie zur Hochform auf. Sie malen den Kindern den Skitag in den buntesten Farben aus. Auch hier gilt die goldene Regel: Beobachten ist erlaubt und insgeheim froh sein, dass man die eigenen Kids nicht motivieren muss.
Eine weitere Spezies sind „die Old-Scooler“. Sie tragen Ski-Kleidung aus den 80-ern, meist in lila, gelb, und dunkelgrün, sehr weit geschnitten. Skihelme und Carving-Ski brauchen sie nicht, so ein neumodiges Zeug wird überbewertet. Oben angekommen fahren sie in gekonnten Schwüngen den Berg hinab. Mancher Zuschauer ist neidisch. Allerdings sind die Old-Scooler Meister im vordrängen an Liftanlagen, Toiletten und an der Bar. Sie geben sich manchmal etwas gebrechlich, sind aber in diesen Dingen hellwach.
Meine Beobachtungen haben mich nachdenklich gemacht. In meinem Kopf gingen nach einigen Fahrten unterschiedliche Schubladen auf. Während jeder Fahrt konnte ich meine Mitfahrer in diese Schubladen einordnen. Liege ich mit meinem Urteil richtig oder falsch? Das kann ich nicht sagen, ich kenne diese Menschen nicht und werde sie vermutlich auch nie wieder sehen.
Doch es passiert häufig, dass wir Menschen in Schubladen stecken. Schubladen, die wir nach unseren Werten definieren und festlegen. Manchmal stellt sich heraus, dass wir damit richtig liegen und bei anderen Begegnungen merken wir erst auf den zweiten Blick, dass wir den Menschen völlig falsch eingeschätzt haben.
Manchmal lohnt es sich den Menschen eine zweite Chance zu geben und nicht vorschnell zu urteilen.
Herzliche Grüße
Alexandra Karr-Meng